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Dec 15, 2023

Elektronenzeitlupe: Ionenphysik auf der Femtosekundenskala

22. August 2022

von der Technischen Universität Wien

Wie reagieren verschiedene Materialien auf den Einfluss von Ionen? Diese Frage spielt in vielen Forschungsbereichen eine wichtige Rolle – zum Beispiel in der Kernfusionsforschung, wenn die Wände des Fusionsreaktors mit hochenergetischen Ionen beschossen werden, aber auch in der Halbleitertechnik, wenn Halbleiter mit Ionen beschossen werden Balken, um winzige Strukturen zu erzeugen.

Das Ergebnis eines Ioneneinschlags auf ein Material lässt sich im Nachhinein leicht untersuchen. Allerdings ist es schwierig, den zeitlichen Ablauf solcher Prozesse zu verstehen. Einer Forschungsgruppe der TU Wien ist es nun gelungen, auf einer Zeitskala von einer Femtosekunde zu analysieren, was mit den einzelnen beteiligten Teilchen passiert, wenn ein Ion Materialien wie Graphen oder Molybdändisulfid durchdringt. Entscheidend war eine sorgfältige Analyse der dabei emittierten Elektronen: Mit ihnen lässt sich der zeitliche Ablauf der Prozesse rekonstruieren – die Messung wird gewissermaßen zu einer „Elektronen-Zeitlupe“. Die Ergebnisse wurden nun in Physical Review Letters veröffentlicht und als Vorschlag der Redaktion ausgewählt.

Die Forschungsgruppe von Prof. Richard Wilhelm am Institut für Angewandte Physik der TU Wien arbeitet mit hoch geladenen Ionen. Den Xenon-Atomen, die im neutralen Zustand 54 Elektronen besitzen, werden 20 bis 40 Elektronen entzogen, und die verbleibenden stark positiv geladenen Xenon-Ionen werden dann auf eine dünne Materialschicht gelenkt.

„Besonders interessiert uns die Wechselwirkung dieser Ionen mit dem Material Graphen, das nur aus einer einzigen Schicht von Kohlenstoffatomen besteht“, sagt Anna Niggas, Erstautorin der aktuellen Arbeit. „Das liegt daran, dass wir bereits aus früheren Experimenten wussten, dass Graphen sehr interessante Eigenschaften hat. Der Elektronentransport in Graphen erfolgt extrem schnell.“

Die Partikel reagieren so schnell, dass eine direkte Beobachtung der Prozesse nicht möglich ist. Doch es gibt spezielle Tricks, die man anwenden kann: „Bei solchen Prozessen werden meist auch viele Elektronen freigesetzt“, erklärt Anna Niggas. „Wir konnten die Anzahl und Energie dieser Elektronen sehr genau messen, die Ergebnisse mit theoretischen Berechnungen unserer Co-Autoren von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vergleichen und so entschlüsseln, was auf der Femtosekundenskala passiert.“

Zunächst nähert sich das hoch geladene Ion der dünnen Materialschicht. Aufgrund seiner positiven Ladung erzeugt es ein elektrisches Feld und beeinflusst so die Elektronen des Materials – bereits vor dem Aufprall bewegen sich Elektronen des Materials in Richtung der Aufprallstelle. Irgendwann wird das elektrische Feld so stark, dass Elektronen aus dem Material herausgerissen und vom hoch geladenen Ion eingefangen werden. Unmittelbar danach trifft das Ion dann auf die Oberfläche und dringt in das Material ein. Daraus ergibt sich ein komplexes Zusammenspiel; Das Ion überträgt in kurzer Zeit viel Energie auf das Material und es werden Elektronen emittiert.

Fehlen Elektronen im Material, bleibt positive Ladung bestehen. Dies wird jedoch schnell durch nachströmende Elektronen aus anderen Bereichen des Materials ausgeglichen. Bei Graphen ist dieser Prozess extrem schnell; Im Material bilden sich für kurze Zeit starke Ströme auf atomarer Ebene. Bei Molybdändisulfid verläuft dieser Prozess etwas langsamer. In beiden Fällen hat jedoch die Verteilung der Elektronen im Material wiederum Einfluss auf die bereits aus dem Material freigesetzten Elektronen – und deshalb geben diese emittierten Elektronen bei sorgfältiger Detektion Aufschluss über die zeitliche Struktur des Aufpralls . Nur schnelle Elektronen können das Material verlassen, langsamere Elektronen drehen sich um, werden wieder eingefangen und landen nicht im Elektronendetektor.

Das Ion benötigt nur etwa eine Femtosekunde, um eine Graphenschicht zu durchdringen. Prozesse auf solch kurzen Zeitskalen konnten bisher mit ultrakurzen Laserpulsen gemessen werden – in diesem Fall würden sie jedoch viel Energie im Material deponieren und den Prozess völlig verändern. „Mit unserer Methode haben wir einen Ansatz gefunden, der ganz grundlegende neue Erkenntnisse ermöglicht“, sagt Richard Wilhelm, Leiter eines FWF START-Projekts an der TU Wien. „Die Ergebnisse helfen uns zu verstehen, wie Materie auf eine sehr kurze und sehr intensive Strahlungseinwirkung reagiert – nicht nur auf Ionen, sondern letztlich auch auf Elektronen oder Licht.“

Mehr Informationen: Anna Niggas et al., Ion-Induced Surface Charge Dynamics in Freestanding Monolayers of Graphene and MoS2 Probed by the Emission of Electrons, Physical Review Letters (2022). DOI: 10.1103/PhysRevLett.129.086802

Zeitschrifteninformationen:Briefe zur körperlichen Untersuchung

Zur Verfügung gestellt von der Technischen Universität Wien

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